romeo y julieta factory plasterwork facade crown dedication 1905

Unsterbliche Liebe: Don Pepin & Romeo Y Julieta

Kann man hoffnungslos romantisch veranlagt sein und dies wirtschaftlich mit Eiffizienz und Rentabilität in Einklang bringen? Don Pepin, Besitzer der Marke Romeo y Julieta und der gleichnamigen Manufaktur, konnte es.

 

Don Pepin, mit bürgerlichem Namen José Rodriguez Fernández, war ein Mann mit Erfahrung im Zigarrengeschäft, mit Abstand der bedeutendste. Und außerdem ein sehr illustrer Besitzer der Marke Romeo y Julieta, denn keiner vor ihm hatte sich derart von der gleichnamigen Tragödie Shakespeares inspirieren und einnehmen lassen wie er. Doch dazu später. Er führte die Marke ab dem Jahr 1903. Zeitgenossen bezeichneten ihn bei der Umsetzung seiner Ideen als arglos und kühn. Wie er zu seinem Spitznamen kam, ist nicht bekannt.

Ganz nahe des Malecón

Die Manufaktur Romeo y Julieta ließ Don Pepin auf der Calle Bellascoain 2A in Havannas Stadtteil Centro Habana errichten. 1905 wurde die Manufaktur fertiggestellt, wie man oben am Giebel des Hauses damals noch unschwer erkennen konnte.

don pepin romeo y julieta founder portrait bw

Photo: Claudia Puszkar

Das Gebäude, so tragisch es ist, steht seit 2011 leider nicht mehr. Trotzdem möchten wir heute an dieses einst wunderschöne und beeindruckende Bauwerk und an seinen Gründer erinnern. Die Calle Belascoain heißt heute Padre Varela.

Vom Malecón, der berühmten Uferstraße Havannas aus, muss man die Belascoain nur ein paar Meter weit entlanglaufen, um die Stelle, an der das Gebäude auf der rechten Seite einstmals stand, zu finden.

Direkt nebenan befindet sich eines der bekanntesten Krankenhäuser Havannas, das Hospital Hermanos Amejeiras. In der ganzen Gegend wird seit einigen Jahren viel gebaut. Es wird sicher nicht lange dauern, bis nicht einmal mehr das leere Grundstück an die ehemalige Manufaktur erinnert.

Wie alles begann …

Don Pepin war nicht der Gründer der weltberühmten Marke Romeo y Julieta, sondern ein paar Jahrzehnte vor ihm Inocencio Álvarez Rodríguez und José „Manin“ García (1875). Der Zeitpunkt, zu dem Don Pepin die Führung der Marke übernahm, schien nicht unbedingt günstig zu sein.

Der Unabhängigkeitskrieg war kaum beendet, große Teile der Zigarrenindustrie Kubas befanden sich fest in der Hand eines amerikanischen Monopols, die politische und die Lage auf dem Tabakmarkt blieben unsicher. Doch von all dem ließ Don Pepin sich nicht schrecken. 1903 startete er mit Unterstützung der Spanier Ramon Argüelles, Baldomero Fernández und Antonio Rodes seine Unternehmungen.

Der Name verpflichtet

Sein Hauptaugenmerk galt der Marke Romeo y Julieta. Unter seiner Führung erlangte sie Weltruhm, denn er hatte die Zugkraft eines solchen Markennamens erkannt. Während eines Empfangs erklärte Don Pepin einmal: „Man darf nicht außer acht lassen, wie berühmt und bekannt diese Figuren von Shakespeare sind. Die Qualität des Theaterstücks zwingt mich, bei meinen Habanos ebenso erfolgreich und gut zu sein. Wie sagte schon Shakespeare: Es gibt keine Geschichte der Liebe, die trauriger ist als die von Romeo und Julia.“

Er kreierte zudem neue Marken und setzte auch da auf „große“ Namen. Die Marke Maria Guerrero beispielsweise ist seine Erfindung. Er benannte sie nach der legendären Schauspielerin, die nach Augenzeugenberichten in ihrer Darstellung der „Kameliendame“ unübertroffen gewesen sein muss. Oder Carolina Otero, eine damals berühmte Tänzerin und Mätresse unzähliger, auch gekrönter Häupter, überredete er auf seine ganz spezielle Art, ihren Namen für eine Zigarre herzugeben. Während einer Fahrt über den Atlantik überschüttete er sie mit tausend Schmeicheleien und schenkte ihr außerdem, und das wird wohl ausschlaggebend gewesen sein, eine wundervolle Brillantbrosche. Sie willigte ein.

Verrückt oder genial?

Er schreckte auch vor Handlungen nicht zurück, deretwegen andere ihn vielleicht für verrückt erklärt hätten. Die gleichnamige Tragödie Shakespeares scheint ihn Tag und Nacht beschäftigt zu haben. Denn Don Pepin versuchte tatsächlich, den Palazzo Capuleto in Verona, den Palazzo der Julia, zu kaufen. In Verona traf er sich mit dem Bürgermeister sowie Mitgliedern der Stadtverwaltung, um mit ihnen seinen Unternehmenstraum zu besprechen.

romeo y julieta factory remaining facade side street view

Photo: Claudia Puszkar

„Ich komme, um Ihnen eine Menge Geld anzubieten und um Sie zu bitten, mir zu gestatten, den Palazzo Capuleto zu kaufen. Jenen Palazzo, welcher den schönen Balkon hat, auf dem sich Romeo und Julia heimlich trafen. Stellen Sie sich vor, was das für einen Raucher bedeutet, in den Räumen rauchen zu dürfen, in denen sich die jungen Verliebten trafen! Es wäre das Größte, eine junge Signorina, schön wie Julia, auf den Balkon hinaustreten zu lassen, gemeinsam mit meinen Kunden, die meine Zigarren rauchen.“

Die zunächst verblüfft dreinschauenden Honoratioren der Stadt waren zum Leidwesen Don Pepins regelrecht schockiert und lehnten das Begehren ab, obwohl finanzielle Mittel zur Restaurierung des Palazzo dringend notwendig gewesen wären.

Dieser historische Ort sei nicht geeignet für ein Geschäft, in dem Tabakprodukte verkauft würden, und noch weniger für eine Clownerie wie jene, die der Millionär im Sinn habe, begründeten sie Don Pepin gegenüber ihre Entscheidung.

Mehr als nur eine Zigarrenmanufaktur

Don Pepin reiste gebrochenen Herzens zurück. Seine Tatkraft jedoch litt nicht darunter. Da er den echten Palazzo Capuleto nicht kaufen konnte, setzte er alles daran, das Gebäude auf der Belascoain 2A in Havanna in vielen Details dem Palazzo Capuleto nachzuahmen. Das ging so weit, dass er eine originalgetreue Kopie von Julias Balkon an seinem Hause anbringen ließ.

romeo y julieta factory remaining facade front street view

Photo: Claudia Puszkar

Glaubt man Augenzeugen, die den Balkon noch gesehen haben, befand er sich an der Rückseite des Hauses. Anderen Quellen zufolge soll er allerdings im Innenhof gewesen sein. Bei einer Besichtigung des Hauses im Jahre 2003 konnte er jedenfalls nirgendwo entdeckt werden.

Das raue Meerklima hatte der Bausubstanz inzwischen immens zugesetzt. Doch trotz des schlechten Zustandes konnte man die ehemalige Schönheit des Gebäudes anhand der mit Stuckarbeiten reich verzierten Fassade noch erahnen.

Die schmiedeeisernen, allesamt verrosteten Gitter, in der zweiten Etage eher schlicht gehalten, in der dritten filigraner, umfingen damals noch die oberen Etagen des Innenhofes. Das Sonnenlicht erleuchtete jeweils eine Seite des Hofes, während die andere im Dunkeln versank, wodurch der damals schon weit fortgeschrittene Verfall des Gebäudes zugedeckt wurde. Der ehedem noch leidlich erhaltene linke Innenteil des Gebäudes diente einer Vielzahl von Menschen trotz der drohenden Einsturzgefahr als Wohnstätte. Vom rechten Gebäudeteil war nur noch die Fassade erhalten. Leere Fensteröffnungen gaben den Blick auf den Himmel frei.

Höchste Effizienz

Doch Don Pepin ging es nicht nur um Schönheit und einen guten Namen. Die Manufaktur zeichnete sich auch durch eine sehr gute und effiziente Einrichtung aus. Insgesamt 1100 Arbeiter, 750 von ihnen Torcedores, kamen jeden Tag in die Fabrik. Die Abläufe waren perfekt organisiert.

Es gab sogar eine betriebseigene Lkw-Staffel, die den schnellen Transport der fertigen Zigarren zum relativ nahe gelegenen Hafen sicherstellte. Die Dachterrasse des dreistöckigen Hauses wurde zu Lebzeiten Don Pepins übrigens von zwei Schäferhunden bewacht, einem Männchen und einem Weibchen. Don Pepin nannte sie, wie könnte es anders sein, Romeo y Julieta.

Information:

NAME DER MANUFAKTUR
Romeo y Julieta (Don Pepin)

ERBAUER
José Rodriguez Fernández (Don Pepin), Ramon Argüelles, Baldomero Fernández und Antonio Rodes

GRÜNDER
José Rodriguez Fernández (Don Pepin)

JAHR DER EINWEIHUNG
1905

ADRESSE
Calle Belascoain 2A (heute Padre Varela)

LAGE
Nahe des Spitals „Hermanos Amejeiras“, ca. 100 m vom Malecón entfernt;

MARKEN
Romeo y Julieta, Don Pepin, Pepines, Maria Guerrero, Flor de Otero, Flor de Rodriguez u. a.

 

Dieser Artikel wurde in der Cigar Journal Sommer-Ausgabe 2012 veröffentlicht. Mehr

Claudia Puszkar, von Hause aus Diplom-Soziologin, schreibt schon seit Jahren über kubanische Zigarren und deren Geschichte. In Havanna ist sie regelmäßig auf den Spuren alter und neuer Zigarrenmanufakturen unterwegs, aber auch immer auf der Suche nach neuen Impressionen, die die Stadt und die Menschen vor Ort zu bieten haben.


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